Warum es sich lohnt, aufzustehen, wenn man am Boden liegt

Wuppertaler Ausnahmesportlerin Sigrun Passelat zu Gast am Sonderpädagogischen Förderzentrum St. Zeno, 10. Oktober 2019

 

Hoher Besuch war am 10. Oktober 2019 im Sonderpädagogischen Förderzentrum St. Zeno zu Gast. Die Wuppertaler Sportlerin Sigrun Passelat besuchte den Kompetenzkurs „Öffentlichkeitsarbeit“, der sie eingeladen hatte, um mit ihr gemeinsam der Frage nachzugehen, was einen Menschen antreibt, immer wieder die eigenen Grenzen zu überschreiten. Dass Sigrun Passelat dazu die beste Ansprechpartnerin ist, wussten die Schüler, schließlich hatte die beinamputierte Sportlerin erst im Juli 2019 als erste Teilnehmerin mit einer Beinprothese die 5 km-Distanz beim Wuppertaler Schwebebahnlauf bewältigt – ein halbes Jahr nach ihrer letzten Nachamputation und nur vier Wochen nach ihrer Versorgung mit einer vorläufigen Prothese. Dieses Ereignis hat der Bad Reichenhaller Sonderschullehrer und Fotograf Matthias Sandau, der auch den Kompetenzkurs „Öffentlichkeitsarbeit“ am Sonderpädagogischen Förderzentrum leitet, mit der Kamera begleitet und dokumentiert. Und diese emotionale Dokumentation hatte die Schüler so beeindruckt, dass sie Sigrun Passelat unbedingt kennenlernen wollten (Wer sich für diese Dokumentation interessiert, findet diese unter dem Link https://lnkd.in/d9SXzcz ).

Angesprochen von ihren Kollegen in einem Wuppertaler Sanitätshaus, in dem Sigrun Passelat arbeitet, hatte sie sich trotz Bedenken nach reiflicher Überlegung bereit erklärt, zusammen mit ihrer Firma die 5 km-Distanz beim Schwebebahnlauf mitzulaufen – auch weil ihr die Kollegen versicherten, ihr jederzeit während des Laufes zu Seite zu stehen und sie zu unterstützen. Doch am Tag des Laufes hatten eben diese Kollegen nur ihre eigene Laufzeit im Kopf und ließen Passelat allein auf der Strecke zurück. Nur zwei Kolleginnen und deren Ehemänner begleiteten sie während des Laufs und halfen ihr. „Jetzt brauche ich Euch wohl nicht zu sagen, was das für ein Gefühl ist. Wenn man gesagt bekommt: »Wir sind bei Dir, zur Not tragen wir Dich über die Ziellinie! Es ist egal: Du kommst an, Du schaffst diese fünf Kilometer, wir tragen Dich.« Es hat mich keiner getragen!“ erklärte Sigrun Passelat den Schülern ihre emotionale Verfassung. Sie berichtete von ihrer Einsamkeit auf der Strecke, weil alle anderen Läufer an ihr bereits vorbeigezogen waren, und dass sie mit sich gerungen habe, aufzugeben oder weiterzumachen. Aber auch von ihrem Vertrauen: „Der einzige, der mich hätte getragen, der sitzt hinter Euch. Wenn ich es nicht geschafft hätte – der Herr Sandau hat immer wieder gesagt: »Zur Not trage ich Dich über die Ziellinie.«“ Auch durch dieses Vertrauen konnte sie sich zum Schluss so motivieren, den Lauf zu beenden. Und mit Blick auf ein Bild, dass sie beim Zieleinlauf zeigt, meinte sie: „Ich glaube, ich brauche Euch selber nicht zu sagen, was das bedeutet ...“

Der persönliche Erfolg dieses Unterfangens motivierte Sigrun Passelat zu einer weiteren sportlichen Herausforderung: bei einem Aufruf einer Kölner Fitnessstudiokette hatte sie Matthias Sandau als ihren Trainingspartner verlinkt und sich um eine Wildcard für den Fisherman´s Friends Strongmanrun um den Fühlinger See in Köln beworben, nicht aber damit gerechnet, zu den Gewinnern zu gehören. Dieses Mal sollte es auf eine Distanz von 10 km gehen, nur von unzähligen Hindernissen unterbrochen, die es zu überklettern, darunter durch zu krabbeln oder zu durchschwimmen galt. Da Sigrun Passelats Prothese nicht wasserfest ist, verzichtete sie kurzerhand auf diese und stellte sich auf einem Bein und mit Unterarmgehstützen der Herausforderung. Mit Blick auf die unterschiedlichen Hindernisse erklärte sie aber: „Mal so eben da drüber laufen, war nicht ...“, nicht aber ohne positiv die Hilfsbereitschaft anderer Teilnehmer zu erwähnen: „Da konnte man sehen, dass wenn man miteinander was anpackt, kommt man auch zu einem Erfolg, kommt man auch zu einem Ziel.“

Nicht unerwähnt ließ Sigrun Passelat aber auch die persönlichen Einschränkungen durch ihre Behinderung: Die Schüler sahen, dass sie ihre 6,5 kg schwere und rund 45.000 Euro teure Prothese nicht angezogen hatte und diese an der Wand lehnte. Dazu erklärte Passelat den Schülern, dass sie am Vortag ihren Stumpf bei der Anreise mit Bahn und Flugzeug überlastet hatte und dieser dadurch so angeschwollen sei, dass sie nicht die Prothese anziehen konnte. „Ich von meiner Seite, sage, dass ich noch lange nicht da bin, wo ich hin will. Es ist nicht jeder Tag gleich. Man hat nicht jeden Tag die gleiche Kraft zu sagen, ich ziehe das Ganze jetzt durch. Auch ich habe Tage, an denen ich sage: »Wozu machst Du das Ganze eigentlich???« “, zog sie ein Fazit. Und doch lohne es sich, immer wieder Dinge neu zu versuchen und auszuprobieren, nicht ohne den Schülern noch einen Ratschlag mit auf den Weg zu geben: „Es kommt im Leben nicht darauf an, wie hart Du zuschlagen kannst, sondern wie viel Du einstecken kannst und trotzdem wieder aufstehst. Das Leben bedeutet, nicht immer zu gewinnen, sondern durchzuhalten, an sich zu glauben und niemals aufzugeben!“

Gemeinsam überlegten die Schüler dann mit Sigrun Passelat, wie sie selbst an Hindernisse oder Probleme herangehen sollten. Dabei erkannten sie, dass es zunächst wichtig ist, die eigenen Ziele, die sie erreichen möchten, zu kennen. Gemeinsam mit Menschen, denen man vertraut und die Hilfestellung geben könnten, sollten sie festlegen, auf welchen Wegen sie diese Ziele erreichen wollen, dabei aber auch immer im Blick haben, dass es durchaus den einen oder anderen Umweg auf dem Weg zu Ziel gäbe. Vor allem in den anstehenden Praktika, aber auch bei der späteren Berufswahl, gäbe es eine Reihe von Eigenschaften, die ihnen helfen könnten, ihren Weg zu finden: Mut, sich auf neue Dinge einzulassen und diese auszuprobieren, Durchhaltevermögen, um auch Misserfolge einstecken zu können, Kraft, um darauf zu vertrauen, dass man sein Ziel erreichen könne oder Stärke, nach Misserfolgen nach neuen Wegen zu suchen, um sein Ziel zu erreichen. So würde der Weg zum eigenen Ziel schließlich mit dem Erfolg gekrönt.

Zur Erinnerung an den Besuch erhielten alle Schüler ein persönliches Motivationsarmband, das Sigrun Passelat selbst gestaltet und angefertigt hatte und das sie an die wirklich wichtigen Pfeiler im Leben erinnern soll: STARK, MUT, ERFOLG und KRAFT.

 

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Bild 1:     Portrait Sigrun Passelat
Bild 2:     Sigrun Passelat im Kompetenzkurs Öffentlichkeitsarbeit
Bild 3:     Die Motivationsarmbänder für die Schüler
Bild 4 - 6: Sigrun Passelat beim Wuppertaler Schwebebahnlauf 2019
Bild 7:     Sigrun Passelat Zieleinlauf beim Wuppertaler Schwebebahnlauf 2019
Bild 8 - 9: Sigrun Passelat beim Fisherman´s Friends Strongman Run 2019
Bild 10:    Sigrun Passelat Zieleinlauf beim Fisherman´s Friends Strongman Run 2019